Sonntag, 7. Juni 2015

Das große Fasten - Tag 1

6:00
ich wache auf und beschließe zu fasten. Ohne lange zu überlegen - das wird sonst zu kompliziert - entscheide ich mich für Markus Rothkranz' Methode, weil sein Buch "Heile dich selbst" gerade griffbereit in meinem Regal steht. Mein Plan ist folgender:

-morgens und nachmittags Zitronensaft in einem Glas Wasser trinken
- 20 min später ein Glas Wasser mit 2 El Apfelessig (das schmeckt sogar gut, hätte ich nie gedacht!)
- jeden Tag Einläufe machen oder Kassia Fistula lutschen, um den Darm zu reinigen
- 2x täglich 1 Tl  Bentonit mit einem Glas Wasser vermischt trinken, um Giftstoffe zu binden
- 3x täglich eine Kapsel gegen Parasiten ("Elimination" von Green Herb)
- sonst nur Wasser, Tee und evtl. frisch gepresste grüne Säfte, wenn ich sonst schwach werde. 

8:00
Zitronensaft, Essig, Einläufe... ich befolge alles nach Plan.

10:00
die Alarmglocken in meinem Hirn schrillen, weil mein Frühstück schon eine Stunde überfällig ist! Noch dazu arbeite ich in einem rohveganen Imbissladen, wo das Beste immer in Reichweite steht. Ich bekomme zwar langsam Hunger und schlechte Laune, aber es geht noch.

16:00
die Arbeit hat mich abgelenkt, das war ganz gut. Hart war es trotzdem - im Raum ist es aufgrund des fehlenden Durchzugs und der vielen Kühlgeräte noch wärmer als draußen. Bei Temperaturen über 30° C fastend herumzustehen macht mir ein bisschen Angst um meinen Kreislauf. Hinter dem Tresen plötzlich ohnmächtig zu werden wäre nicht optimal, besonders angesichts der vielen Kunden, die sich  hier an Smoothies, Wraps, Torten usw. satt essen, während ich mich selbst kasteie und immer mehr an dem ganzen Programm zu zweifeln beginne. Meine Laune ist richtig übel, aber ich will das jetzt unbedingt durchziehen! Ein paar Tage nichts essen muss ich doch überleben können, außerdem will ich, neugierig wie mein Vorbild Odin*, durch Experimente am eigenen Leib zu neuen Einsichten gelangen.

Die schlimmen Schmerzen (Hunger, Schwäche, Kopfschmerzen, Unkonzentriertheit) gefallen mir irgendwie auch, weil ich mir vorstelle, dass sie von Parasiten kommen, die in meinem Darm sitzen und wie verrückt an meinen Nervenrezeptoren rütteln, um mich zu zwingen, sie zu füttern. Die können ohne Nahrung nicht so lange überleben wie ich, das ist einer der (für mich) positiven Aspekte des Fastens. Zusätzlich schlucke ich ja vegane Kapseln mit Pflanzenextrakten gegen die Würmer und andere Einwohner meines Verdauungstrakts.
Markus Rothkranz, nach dessen Anleitung ich faste, macht diese kleinen und größeren Lebewesen verantwortlich für beinahe jedes Leiden, sowohl körperlich als auch psychisch, und will die alle durch regelmäßige Kuren ausrotten. Allerdings kann ich dieser Sichtweise nicht ganz zustimmen:
Unser Körper beinhaltet ja mehr "fremde" Zellen als eigene Körperzellen und das muss so sein, sonst könnten wir keinen Stoffwechsel betreiben. Die Darmflora, die zum Großteil unser Immunsystem ausmacht, besteht ja aus vielen verschiedenen Bakterien. Wir müssen dafür sorgen, dass es vorwiegend "nützliche" sind, aber alles rauszuspülen ist wohl kontraproduktiv. Rothkranz empfiehlt deshalb auch, täglich Probiotika einzunehmen, nachdem man mit Einläufen den Darm sauber gespült hat.

Außerdem habe ich ethische Bedenken. Die kleinen Bandwürmer, Fadenwürmer, Amöben und Spulwürmer wollen doch auch Leben! Sie wollen uns "Wirte" gar nicht töten ("beiß nicht in die Hand, die dich füttert"), sondern möglichst unbemerkt und langfristig in uns leben. Natürlich müssen wir mehr essen, als wir für uns bräuchten, um die Tiere mitzufüttern. Wenn es zu viele sind, kann es sein, dass Leute Unmengen fressen, weil in ihrem Darm ein ganzes Volk prächtig gedeihender Spulwürmer lebt. Konsequente Veganer müssten die doch eigentlich leben lassen, Alfons oder Rosmarie nennen und mit extra viel Kuchen versorgen. Sie mögen nämlich das Gleiche wie wir, üppige Kombinationen aus Fett und Zucker, die wir auch als Rohköstler genießen.
Aber dass diese Welt, in der alle in Frieden miteinander leben und niemand ein anderes Lebewesen tötet, eine Illusion ist, ist für mich glasklar.

Jedenfalls hat mich dann Sarah abgeholt, um zur Isar schwimmen zu gehen. Wir sind einfach in den Englischen Garten gegangen, in der Nähe des "Milchhäusl". Furchtbar, wie an der Adria schaut es da aus! Die Leute liegen dicht an dicht auf ihren Handtüchern und brutzeln in der Sonne. Trotzdem sind wir da geblieben, aber ich habe nur die Füße ins Wasser gehalten, während Sarah sich in den kühlen Fluten des Eisbachs erfrischt hat. Erstens hatte ich weder ein Handtuch noch Kleider zum Wechseln mit und zweitens hatte ich Angst, dass durch die plötzliche Kälte mein Kreislauf kollabieren könnte und ich notgedrungen die Aktion abbrechen müsste.

18:30
ich fahre nach Hause, allerdings nicht wie üblich mit dem Fahrrad, sondern mit der UBahn, weil es mir so schlecht geht. Dann muss ich auch noch eine Präsentation für die Uni vorbereiten und kann mich kaum konzentrieren. Jetzt hasse ich das alles und denke mir, dass dieses Fasten bestimmt das letzte war, falls nach den ersten drei Tagen keine Erleuchtung eintritt. ;)

22:00
eigentlich wollte ich um neun schlafen gehen, aber ich bin mit der Arbeit einfach nicht weitergekommen. Macht ja nichts, hoffentlich lässt der Hunger mich einschlafen.

Da gehts weiter:


*der germanische Gott Odin ist beharrlich auf der Suche nach Weisheit. Er gibt ein Auge als Pfand gegen einen Schluck aus Mimirs Brunnen, um seherische Kräfte zu bekommen. Er raubt von der Riesin Gunnlöd den Skaldenmet Odrörir und bringt ihn in Adlergestalt zu den Göttern. Als Opfer für die Menschen hängt er im Weltenbaum Yggdrasil, verwundet von seinem eigenen Speer. Er hängt dort während neun Tagen und Nächten („Vom Speer verwundet, dem Odin geweiht, mir selber ich selbst, am Ast des Baums, dem man nicht ansehen kann, aus welcher Wurzel er spross“; aus Odins Runenlied 138), wobei er die Runen ersinnt (Odins Runenlied in der Hávamál der Lieder-Edda)

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